Schreiben als Gesetzesentwurf, als Menetekel, juristische Disziplin.
Menetekel: Schicksalsspruch über den Mann am Steuer,
der sich größter Gefahr aussetzt. Man liest Defizite. Ist es etwa
anders, gibt man sich mit den Ergebnissen denn nicht zu schnell
zufrieden? Mit Neal Cassidy auf Tour gehen, und die Reifen des
Cadillacs wälzen das eigene Ich mit seinen alltäglichen Sorgen
in den Staub? Das Aufschreiben versucht die Pfeilbewegung des
gestohlenen Autos zu imitieren, um etwas zu entfesseln, der Wagen
fährt mit quietschenden Reifen an, Cassidy – Rasender am
Steuer – und links und rechts der Worte werden die Existenznöte
zu Streifen, verwischen mit zunehmender Geschwindigkeit.
Der, den sie Jack Kerouac nennen, bin ich. Doch Skrupel quälen
mich: »Fahr langsamer!«. Fahrstil ist so gesehen konsequenter,
weil pubertärer, scheinbar urwüchsiger. Anders – als den Stillstand
ertragen, sich fühlen zu lernen–der Raser, dessen Selbsterkundungstrip
des Dahinrasens über den Highway bedarf, mit
der Gefahr des Totalzusammenstoßes in der Windschutzscheibe
vor Augen und der Vollbremsung als kathartischem Moment in
Aussicht. Kein Ziel haben zu wollen, nicht ankommen, wo denn
auch? Den Motor, den des Wagens, doch auch den eigenen,
schnell, schneller, schneller jedenfalls als der Common Man der
Ostküste. Das Gewicht des nordamerikanischen Kontinents
nach Westen verlagern, ein Gegengewicht schaffen, etwas aus
der Balance bringen, die Kontinentalplatte kippen lassen, eine
Münze werfen, um den Zufall entscheiden zu lassen. Doch am
Steuer sitzen oder sich fahren lassen und die Gewalt dem Kerl
am Steuer anvertrauen oder sich der Wucht des Wagens aussetzen.
»Fahr langsamer!«. Die Beine stemmen sich gegen den Boden
des Wagens, die Hände, eben noch Bleistift und Block gehalten,
krallen sich zwischen den Beinen in den Sitz…
Ausbremsen durch Sprache, der Protokollant bremst die Fahrt.
[aus Das Geschriebene mit der Schreibhand. Aufsätze
(Reinecke & Voss, 2010)]
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