lauter niemand - bio - prosa - lyrik - poetik
 
 
Clemens Kuhnert
 
 
literaturlabor 30.05.2010
 
Kurze Einleitung zum Text
 
Das sollte hier anhand einer Übersetzung eines Gedichtes von Horaz meine lauter niemand poetik werden und zwar als Eintrag in meine Heftkladde, daher das Datum: 11.11.2009. Jetzt hat sich dieser Text aber ausgewachsen und die alten Teile sind überschrieben und wodurch ich den "Geldtext", der jetzt als Poetik veröffentlicht wurde, später ersetzen werden, wenn überhaupt: Mal sehen. Der Gesamttext ist in einzelne relativ selbstständig für sich stehende Teile gegliedert und der folgende ist vorläufig ein Kapitel, welches ich für eine Lesung besonders geeignet halte. Es geht im Ganzen in Richtung Erkenntnistheorie und Sprachphilosophie, nur hält sich der Beobachter nicht heraus, sondern er zeigt sich oder tut wenigstens so. Damit zeigt sich auch, welche Ziele er verfolgt mit seinen Gedanken und wie er dazu kommt. Dass bei jeder Wissenschaft, Philosophie oder Kunst die Ausübenden Teil des Erkannten sind, unter dieser Grundannahme wurde dieser Text geschrieben und das soll er unter anderem auch zeigen. Wer genau liest, kann diesen ganzheitlichen Ansatz schon im Folgenden erkennen. Wie kommen wir zu unseren Intuitionen? - Das sollte man sich im ersten Teil fragen, während man ihn liest. Im zweiten Teil dann: Welcher Art sind sie und wo führen sie hin? - Während ich dieses hier vorschlage, komme ich auf die Idee, diese Fragen doch gleich selbst meinem Text voran zu stellen. Da im Text davon die Rede ist, setze ich das Horazgedicht unter "lyrik", was man von der Übersetzung auch immer halten mag. Übrigens kann man aus diesem Gedicht ziemlich gut etwas über die Poetik des Horaz erfahren. Und wenn ich es genau bedenke, dann habe ich in Bezug auf lauter niemand, was den Bereich Poetik betrifft, damit wahrlich genug getan. (18.06.2010)
 
Der Strom der Triebe
Wie kommen wir zu unseren Intuitionen? -
Welcher Art sind sie und wo führen sie hin?
 
11.11.2009 
Dieses lateinische Gedicht von Quintus Horatius Flaccus,  Flaccus heißt „Schlappohr“, doch wir nennen ihn lieber Horaz, weil wir ihn gerne gänzlich unverblödelt in Erinnerung behalten wollen, es verändert mich mehr beim Übersetzen, als ich es in der Übersetzung verändern werde. Ich träume in den Pausen meiner Arbeit davon, ich verarbeite es im Schlaf. Ich verarbeite es darin, was ich und wie beim Frühstücken esse, ich verarbeite es darin, wo ich die Wohnung aufräume und wie welche Sachen, ich verarbeite es in Veränderungen des üblichen Abwaschs und hoffentlich zerbricht mir kein Glas: Ich sollte mich auf jede dieser Hausarbeiten gerne einlassen, ich sollte sehen und spüren, was ich hier mache und dabei dem Weg bei der Arbeit folgen, zu dem es mich treibt, sonst verarbeite ich nichts von meinen Problemen mit dem Gedicht von Horaz und sonst verarbeite ich weniger auch von allen anderen Problemen, die sich mit der Hausarbeit und dem Gedicht von Horaz begründen.

Wenn ich mich beim Verarbeiten von den Problemen der einen Ordnung und wie sie mich unter Druck setzen in der anderen entspanne, dann gab es vielleicht in der anderen für sie eine Lösung. Doch habe ich sie gesehen? Wenn nicht, dann kann ich die gute Lösung noch nicht ins Tun der anderen Ordnung gut übersetzt haben. Und wenn ich aus Träumen erwacht von meiner Wolldecke auf den Dielen aufgestanden bin, dann habe ich oft die beste Entspannung gefunden und sehr oft die beste Lösung. Es sind dies Übersetzungen des gefühlten Haushalts oder des Haushaltens mit Worten in den Haushalt der Gefühle und die Haushalte spiegeln und verkehren sich. So erinnere ich es bei meiner Arbeit als Architekt, denn was läge näher, als ein Haus zu bauen, dem Aufbau von Ordnung und auch jede Arbeitsstruktur gibt ein Abbild der Ordnung. Öffne ich als Architekt erst die Dateien zum Keller oder zum Dach oder kümmere ich mich um die Architektur der Dateien? Oder werde ich mit dem Statiker plaudern oder mich bei dem Elektriker beschweren: Es brächte mich ersteres heute hoch und das andere in den Keller, doch ist es längst an der Zeit, ihm die Ansicht zu sagen. Das werde ich machen, schon wegen des Glases beim Abwasch, das mir zerbrach: Er war es, der mir den Ärger machte, das Glas, was ich Gedankenverloren zerbrach, es war meines. Ich verarbeite beim Spaziergang mit jedem Blick, den ich unwillkürlich werfe, mit jedem gewählten Abzweig, den ich Lust bekommen habe zu gehen. Ein stromern in Strömen von Bedeutung, sie füllen die Strassen bis rauf unters Dach. So folge ich im Strom meinen Gefühlen, Gefühl um Gefühl trifft eine Entscheidung, ich lasse mich gehen und folge dem Trieb. Die Entspannung nimmt zu und die Kraft der Strömung nimmt ab. Und manchmal kommt er zum Meer und verliert sich so groß wie nie und zeigt zugleich alle Quellen: Dann lief man mit einer Bewegung verschiedene Richtungen ab. Und dies wäre so, als läse und verstünde ich ein Gedicht, wie das von Horaz. Manchmal wirken auch Menschen im Gespräch so auf einen. Und manchmal sind diese als Dichter die gleichen. Und ich verarbeite es nachts in der Kneipe, wo sich die Spannungen gelöst mit Alkohol befreien: Mal hören, was die Freunde auf ihrer Arbeit erleben und was sie umtreibt: Sind sie geladen, steigt die Spannung erneut. Da hat sich einer mehr, der andere weniger vor dem Schlaf zu entspannen. Dann langweilt sich einer sehr, obwohl er sehr viel zu arbeiten hat und sucht Spannungen in der Kneipe. Nach einer spannenden Frage oder dem Tropfen zuviel kommt es zum Kurzschluss und zur großen Entladung. Da kommt nicht nur Eines zum Anderen, sondern da wird alles zu Einem und der kriegt es ab. Er hätte es besser verarbeitet im Kreis der Familie, doch auch dort gibt es der Spannungen schlechte und viele: Vielleicht sind es nur diese, vielleicht hängen sie voneinander ab. Es ist immer die Frage, wie sich die Spannung verteilt: Viele laden sich positiv auf, können sie andere retten, weil sie ihnen Last abnehmen und da reicht auch schon, sich beim Zuhören entsprechend zu bewegen. Das heißt, sie waren negativ geladen und haben die Probleme des anderen vielleicht sogar gebraucht. Trotzdem führt dies zu gemeinsamen Lösungen, solange einer der Rettung bedarf, denn jeder verteilt die Spannungen anders: Doch immer verstimmt es, wenn etwas zu fehlen beginnt von dem, was auf Dauer den Ausgleich schaffte. So geht eines ins andere über, doch ein Bombenentschärfern auf Heimaturlaub aus den Kampfgebieten des inneren Iraks, der ist für jede Familie nicht einfach zu tragen. Wie Untersuchungen zeigen, steigt innerhalb der Familie die Spannung und im Umfeld der Kinder die Gewalt und nicht selten kommt es zur Scheidung. Oder es erwartet den Zurückkehrer einer von diesen friedfertigen Typen, dabei sind wir im Krieg und keiner hat es gesagt oder will es wahrhaben. Jeder sucht den Austausch, den er braucht für sein Überleben und viele wollen den lebenswichtigen Austausch für ihren eigenen Frieden vermeiden. Ich bin ein Dichter und dieses Gedicht von Horaz, es setzt mich unter Strom, weil es die richtige Gegenspannung schafft, denn ich werde hier ständig geladen. Ich muss nur das richtige Zündkabel finden, sonst geht der Laden nicht hoch im guten Sinnen oder falsch im schlechten: Dann fiele mir alles auseinander. Es sind die guten Spannungen, die mir fehlen, um all die schlechten loszuwerden in meiner nahen und fernen Umgebung. Diese Zeilen treiben mich es immer wieder zu versuchen, sie bündeln Kräfte und setzen sie frei beim Lesen und sie suchen den richtigen Weg der Entspannung und es entspannt sich in jeder Verschiebung der Regeln all dessen, was jeder auch am Tage scheinbar wie im Schlaf treibt zwischen sehr vielen schlechten Träumen. So sah ich ein Glas gefüllt mit Rotwein, es kippte um und zerbrach in tausend Teile. Ich sah das Blut an die Wände klatschen. Ich sah ein Glas und es stand da wie neu, es stand so da, als wäre es nie zerbrochen. Ich höre noch deutlich, wie hell und klar es klirrte. Ich höre es ständig weiter knacken. Es steht da wie vorher: Doch Alles ist anders. Ich möchte nicht dem Zwang des Gleichmaßes tötender Maschinen folgen und ihrer Entsprechung, der tötenden Ordnungen, in denen Einer den Anderen hochgehen lässt, weil es so gut erklärt wird. Nun könnte ich ihnen bei weitem die besseren Maschinen bauen, ich baute sie abgestimmt auf ihre Organe und sie schmissen die schlechten Maschinen weg, denn sie verzichten immer gerne auf alle schlechten Maschinen, denn die sind alt. Und alt ist alles Schlechte. Und ich baute ihnen eine Maschine, die wäre aus ihren Organen und alle wollten sie haben und brauchen. Denn neu ist immer das Gute. Und wer sie nicht mag, der wird nicht mehr arbeiten können, denn alle wollen sie brauchen. Und man wird sie schlecht ansehen und sie werden sich schlecht ansehen und ihre Kinder werden deshalb vor Mangel verblöden bis in das letzte Glied, wenn sie diese meine Maschine nicht haben. Denn sie sehen sich an und sie sehen sie an und sie sehen das Schlechte ohne diese meine Maschine. Und daher werden sie diese Maschine brauchen wollen und sie werden mir dafür das Geld in rauen Mengen in den Rachen schmeißen und sie werden sich dafür zu Tode schuften. Und sollen sie doch schuften, denn diese Maschine, die ist das immer Neue. Und neu ist immer das Gute und alle wollen das Gute für sich und ihre Kinder, wer will schon das Schlechte? Und alt ist immer das Schlechte. Und so soll es sich denn immer wieder erneuern, das Gute, das Neue, in alle Ewigkeit, Amen. - Das wäre ein Ausdruck des Wahnsinns, der so gut zu dem kollektiven passte, dass er das vollkommen Normale wäre. Und was stelle ich fest? – Sie bitten darum in ihren äußerst aufgeklärten, weil ach so relativ freien Gebeten: Wäre nur einer so gut mir das Neue  zu geben, ich wollte es brauchen, brauchen, brauchen. Doch am Ende brauche ich das keinesfalls für meine Art zu leben und es wäre die bessere Art so zu leben für Alle. Na und das werde ich auch beweisen. Und der erste Beweis ist genau dieser Anspruch. Mir ist klar, noch ist vieles von dem, was ich dafür brauche, geborgt und nur wenige würden es mir bei vollem Verstande geben, denn sie teilen meine Werte nicht, sie sehen nicht nur, sie fühlen das anders. Und darum geht es auch in den Folgenden Teilen: Es gibt keine Umwertung der Werte ohne eine des Gefühls. Man könnte sagen, ich habe die falsche Religion, denn ich hätte es dreimal verdient, dass man mich so leben ließe, vielleicht schon mit den ersten paar der in diesem Kapitel aufgeschriebenen Sätze, vielleicht schon allein, weil ich so bin wie ich bin: Nur allein dafür würde man mir noch weniger geben. So überlasse ich mich der Freiheit des Spiels, der Freiheit des Schlafs und der Träume. Ich folge den Wegen, welche die angestauten Triebkräfte nehmen um die erstarrten Muster des Bewusstseins mit ihnen neu zu bespielen und sie suchen sich ihren Weg durch deren Labyrinthe mit ihren Sackgassen, Fallen und inneren Widersprüchen, den endlosen Gängen, welche einem im Kreise führen, sie suchen den besten Weg zur Entspannung, er ist nicht eingezeichnet in einer der alten Karten, der immer neuen alten Karten. Es gibt keinen reinen Wein in immer den alten gleichen Gläsern unseres Bewußtseins. Nun, das wird sich alles aufklären, noch alles im anderen und besseren Lichte zeigen. Allerdings die absolute Entspannung, die gibt am Ende besser als jeder süße Schlaf nur der süße Tod, doch ich suche nicht nach der Süße, es sei denn, sie beißt mich an den richtigen Stellen, ich suche nach Leben. Das ist, weil ich als Dichter ein Bombenentschärfer bin: Man sucht sich den besten Tod.